Matthias Buth, in Wuppertal geborener Lyriker und Essayist, hat dem Literaturhaus Wuppertal zwei Gedichte gesandt – das erste als Beschreibung und Kommentar zu unserem Gedenk-Symposium an den Wuppertaler Autoren Paul Pörtner am 25.01.2025, bei dem Alfred Behrens als Zeitzeuge eine Hommage an Pörtner vortrug (s. auch den Bericht zur Veranstaltung von Thorsten Krämer). Und das zweite anlässlich des 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz am 27.01.2025. Der Wunsch, die Notwendigkeit und die Last der Erinnerns – in zwei Gedichten eindrücklich festgehalten, die wir hier gerne veröffentlichen.
Alfred Behrens am 25. Januar 2025
Mit Mikrophonen kannte er sich aus
Wie mit Tulpen
Sie standen in den Hörsälen an den Pulten
Und fingen an zu sprechen mit Klopfen Stille Räuspern
Bis er einen Schnitt machte und einen ersten Satz
In den Raum warf wie ein Netz
Nur hier in der holzgetäfelten Andacht
Der Stadtbibliothek in der Kolpingstraße von Wuppertal
War er ratlos
Seine schwarze Mütze am Haken
Sein blanker Kopf eine Sendestation die sagte
Ich bin so aufgeregt schaffe es nicht
Ich kannte ihn noch den Scherenschnitt-Mann
Dem das Mikrophon der Kuli war mit dem er immer schrieb
Der aufschrieb was Geräusche und Stimmen verheimlichen wollten
Dann versagte ihm die Stimme
Wie an einem offenen Grab
Wie vor seinem offenen Grab
Er war plötzlich im Raum
Alle spürten es
Die Fenster hatten Tränen
Paul Pörtner wurde 100
Schon 40 Jahre über die Wupper
Und saß ohne Mikro in jeder Reihe
27. Januar
Eintätowiert in die Gedächtnishaut
Des deutschen Volkes ist
Auschwitz
Der Name der für alle steht
Die verwehten geboren aus den Schreien
Der letzten Panik in den Zyklon-B-Duschen
Kein Requiem kann es erfassen
Wir sind das Volk das Bach verraten hat
Wir sind auf der Landkarte geblieben
Gegen alle Vernunft
Und leben in der Bundesrepublik Auschwitz